Freitag, 28. August 2015 | News | Blog, Branchennews

Von „sprechenden Landmaschinen“ und Kühen, die sms verschicken

Ist die Landwirtschaft der Industrie schon einen Schritt voraus in puncto vernetztes Arbeiten in der Cloud? Selbständig arbeitende Landmaschinen sind keine Utopie mehr. So weiß der Mähdrescher Claas Lexion, wann sein Korntank voll sein wird und ruft automatisch über das LTE-Netz der Deutschen Telekom den Traktor mit Überladewagen. Da eine Regenfront aufzieht, schlägt er seinem Fahrer vor, mit maximalem Tempo statt minimalem Spritverbrauch zu arbeiten.

Ernst-Joachim Steffens, Deutsche Telekom AG T-Labs (Foto: privat)

Ernst-Joachim Steffens, Deutsche Telekom AG T-Labs (Foto: privat)

Auch in der Tierproduktion spielen mobile Daten inzwischen eine wichtige Rolle. Ein Beispiel aus Europa: Ein Rinderzüchter verpasst dank eines HeatPhones des französichen IT-Unternehmens Medria keine Anzeichen der Empfangsbereitschaft seiner Rinder mehr. Eine Kuh verschickt „selbstständig“ eine sms, wenn die Zeit zum Besamen gekommen ist. 

Dipl.-Math. Ernst-Joachim Steffens von der Deutschen Telekom AG T-Labs und Referent bei der 6. Cloud-Konferenz am 30.09.2015 in Augsburg im Gespräch:

Herr Steffens, die „sprechenden Landmaschinen“ sind ein Pilotprojekt der Deutschen Telekom gemeinsam mit den Telekom Innovation Laboratories (T-Labs) und CLAAS, im sachsen-anhaltischen Hinsdorf *. Bereits seit 2013 arbeiten der Landmaschinen Hersteller Claas und die Telekom im Bereich der Vernetzung und der Cloud zusammen. Auf den ersten Blick erwartet man ja in der Landwirtschaft nun nicht unbedingt ein Industrie 4.0-Projekt. Wie kam es dazu?

Moderne Landmaschinen wie beispielsweise Mähdrescher sind hochtechnisierte Systeme, die nicht nur das Korn auf dem Feld, sondern zugleich auch eine Vielzahl von Daten ernten, die es dem Landwirt ermöglichen, seine Felder effizienter zu bewirtschaften und seine Erträge zu steigern – vorausgesetzt, die Daten stehen den landwirtschaftlich genutzten IT-Anwendungen auch rechtzeitig zur Verfügung. Maschinen und Anwendungen, aber auch die Endgeräte der Anwender – wie Smartphones und Tablets – müssen also miteinander vernetzt werden. Hierfür brauchen wir zum einen ein leistungsstarkes Mobilfunknetz, und zum anderen eine Serviceplattform, die als „Middleware“ zwischen Maschinen, Anwendungen und Anwendern Grundfunktionen wie die sichere Datenspeicherung zur Verfügung stellt und technologisch eine Entkoppelung von den Spezifika einzelner Geräte ermöglicht. Für beides verfügt die Deutsche Telekom über hervorragende, innovative Angebote. Es lag nahe, hierüber miteinander ins Gespräch zu kommen und das Synergiepotenzial in der Praxis zu ermitteln. 

Ist eine Umsetzung von vernetztem und mobilem Arbeiten sowie M2M-Kommuniation in der Landwirtschaft tatsächlich leichter?

Aus Nutzersicht sind die Vorteile der vernetzten Landwirtschaft evident. Ich spreche dabei nicht nur den Landwirt an, sondern auch alle anderen Prozessbeteiligten wie Lohnunternehmer, Landmaschinenhersteller, Saatgut- und Düngemittellieferanten, Händler, sogar Versicherungen. Schließlich profitiert auch die Gesellschaft insgesamt von effizienterer, zugleich aber auch ressourcenschonenderer und nachhaltigerer Landwirtschaft. Exakte Daten und deren Verfügbarkeit in durchgängigen Prozessketten, die alle Akteure einbinden, sind hierfür die Voraussetzung.

Worin bestanden die speziellen Herausforderungen?

Moderne Landmaschinen sind, wie schon gesagt, hochtechnisiert. Nehmen Sie die satellitengestützten, automatischen Lenksysteme als Beispiel. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auf den Höfen auch noch viele ältere Maschinen, die nachgerüstet werden müssen, wenn sie in vernetzten Ernteflotten genutzt werden sollen. Und Ernteflotten setzen sich oft aus Maschinen verschiedener Hersteller zusammen. Damit müssen sie umgehen können. Mobile Endgeräte wie Tablets haben sich hier als hilfreich erwiesen, müssen aber für den Feldeinsatz geeignet sein. Zudem darf die Vernetzung nicht am Feldrand enden. Auch die Logistik beispielsweise, oder im Schadensfall der Wartungsservice, müssen einbezogen werden. In der Weizenernte zählt jede Minute. Und Sie müssen in der Startphase Überzeugungsarbeit leisten. Sie können nicht davon ausgehen, dass die Cloud a priori als sicher und die Anwendung auf dem Tablet als nützlich angenommen wird. Die Akzeptanz entsteht aus dem praktischen Erleben der Vorteile dieses Ansatzes.

Auf der Hannover Messe im April 2015 fiel der Startschuss für die erweiterte Plattform Industrie 4.0. Bei der Auftaktveranstaltung wurde auch die Umsetzungsstrategie Industrie 4.0 mit äußerst positiver Resonanz vorgestellt, bei der die T-Labs aktiv mitgewirkt haben. Worin sehen Sie die vordringlichsten Handlungsfelder für Produktionsunternehmen?

Der Begriff „Umsetzungsstrategie“ benennt eigentlich schon sehr gut, woran nun vordringlich gearbeitet werden muss: wie bringe ich Industrie 4.0 in die industrielle Praxis? Wie vernetze ich meine Maschinen, Systeme, Arbeitsplätze so, dass die Vorteile von Industrie 4.0 in meinem Unternehmen wirksam werden können, ohne dass ich unkalkulierbare Risiken eingehe? Die potenziellen Schadenshöhen bei schlecht gemachter Vernetzung sind ja ungleich höher als im Consumer Markt. Als produzierendes Unternehmen brauche ich also eine in der Perspektive ergebniswirksame, und zugleich mit meinen Sicherheitsanforderungen und meinen Bestandssystemen verträgliche Einführungsstrategie für Industrie 4.0. Die Probleme in der Fabrikhalle sind denen auf dem Feld insofern nicht unähnlich.

Vielen Dank, Herr Steffens.

Sprechen Sie mit Ernst Joachim Steffens, Deutsche Telekom AG T-Labs auf der 6. Cloud-Konferenz am 30.09.2015.

Forum 1: Erfolg durch Unternehmenslösungen
Vortrag: Farming 4.0 – Vernetzte Landwirtschaft als Vorreiter für Industrie 4.0

 

Weitere Informationen online:

* Das Projekt "Farming 4.0" der Telekom wurde auf der CEBIT 2015 beim bundesweiten Innovationswettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ ausgezeichnet worden und, wie die vernetzte Landwirtschaft der Zukunft aussehen kann.

Mehr über das HeatPhone.