Donnerstag, 08. Juli 2021 | News | Blog, Mitgliedernews, Expertennews

Mitarbeiterbeteiligung – Gibt es für Startups wirklich sinnvolle und passende Modelle?

Eine attraktiv gestaltete Mitarbeiterbeteiligung verbessert die Chancen bei der Gewinnung von Personal. Das Ziel eines neuen Gesetzesvorhabens war es, den Standort Deutschland zu stärken. Mit Hilfe von Steuererleichterungen wollte die Bundesregierung mehr Investmentfonds nach Deutschland locken. Auch für internationale Fachkräfte soll die deutsche Startup-Landschaft attraktiver werden.

Wolfgang Löhr, Partner, Rechtsanwalt, vereidigter Buchprüfer und Steuerberater bei Sonntag & Partner

Wolfgang Löhr, Partner, Rechtsanwalt, vereidigter Buchprüfer und Steuerberater bei Sonntag & Partner

Ob das gelungen ist und welche Möglichkeiten aktuell bestehen, beantwortet unser Experte Wolfgang Löhr von Sonntag & Partner.

Ist der große Wurf mit den Neuregelungen zum 1. Juli 2021 gelungen? Was hat sich verbessert? Welche Defizite bleiben?
Der Gesetzgeber hat mit dem sog. Fondsstandortgesetz – im Vergleich zur bisherigen Rechtslage – für die Mitarbeiter:innen bessere steuerliche Rahmenbedingungen für den Erwerb von Anteilen am Unternehmen des Arbeitgebers geschaffen. So ist im Fondsstandortgesetz etwa geregelt, dass der steuerfreie Höchstbetrag für Vermögensbeteiligungen von 360 Euro im Jahr mit Wirkung zum 01.07.2021 auf 1.440 Euro angehoben wird.

Zudem gibt es insbesondere für Arbeitnehmer:innen von Startup-Unternehmen eine neue Regelung, nach der die Einkünfte aus der Übertragung von Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers zunächst nicht besteuert werden. Die Besteuerung erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt, in der Regel zum Zeitpunkt der Veräußerung, spätestens aber nach 12 Jahren oder bei einem Arbeitgeberwechsel. Damit soll vermieden werden, dass die Übertragung einer Beteiligung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (Sachbezug) beim Arbeitnehmer:in führt, ohne dass ihm liquide Mittel zugeflossen sind (sog. "dry income"). Die Neuregelung gilt für Vermögenbeteiligungen, die nach dem 30.06.2021 übertragen werden.

Die o. g. Regelungen sind zunächst zu begrüßen. Sie erleichtern für Mitarbeiter:innen den Erwerb von Anteilen am Unternehmen des Arbeitgebers und verbessern die bisherigen Rahmenbedingungen. Insbesondere besteht nunmehr eine gesetzlich geregelte Möglichkeit, den „dry income“-Effekt zu vermeiden. Kritisch zu sehen ist allerdings die Regelung, wonach eine Besteuerung eintritt, wenn der Mitarbeiter den Arbeitgeber wechselt. Diese Einschränkungen lässt die Neuregelung in der Praxis wenig attraktiv erscheinen. Hier ist der Gesetzgeber auf halbem Weg stehen geblieben.

Welche konkreten Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung gibt es für Startups?
Wesentliche Ziele einer Mitarbeiterbeteiligung sind die Bindung und die Motivation der Mitarbeiter:innen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, Mitarbeiter:innen am Unternehmensgewinn zu beteiligen und damit zu binden.

Die einfachste Form der Mitarbeiterbeteiligung ist – neben dem Fixgehalt – die Vereinbarung einer variablen und erfolgsabhängigen Vergütung. Dabei kann sehr individuell und unternehmensspezifisch vereinbart werden, was die Erfolgskriterien sind und wie hoch die variable Vergütung ausfallen soll. In dieser Hinsicht können persönliche Ziele, Teamziele und/ oder Unternehmensziele herangezogen werden. Diese Form der Mitarbeiterbeteiligung gewährt keine Mitspracherechte, aber zusätzliches Gehalt im Gewinnfalle. Startups erzielen jedoch häufig – auch über einen längeren Zeitraum – keinen Gewinn. Infolgedessen kann diese Form der Mitarbeiterbeteiligung bei Startups relativ rasch an die Grenzen von Akzeptanz und praktischer Realisierbarkeit stoßen.

Aus diesem Grund haben sich im Markt weitere Mitarbeiterbeteiligungsmodelle etabliert, die Mitarbeiter:innen so stellen, als ob sie am Unternehmen beteiligt sind. Auch diese Mitarbeiterbeteiligungsprogramme räumen den Mitarbeiter:innen in der Regel keine Mitsprachrechte, sondern lediglich Ansprüche auf Zahlung einer Vergütung ein. Der/die Mitarbeiter:in wird also am Unternehmenserfolg beteiligt, aber nicht Gesellschafter:in des Unternehmens. Der wesentliche Vorteil bzw. Unterschied gegenüber der oben genannten erfolgsabhängigen Vergütung ist, dass der/die Mitarbeiter:in – praktisch wie ein/eine „echte:r“ Gesellschafter:in – auch an einem späteren Exit-Erlös profitiert und eine Beteiligung an den – oftmals noch nicht vorhandenen – Gewinnen in den Hintergrund tritt. Die konkrete Ausgestaltung solcher Mitarbeiterbeteiligungsmodelle erfolgt auf vertraglicher Basis und kann rechtstechnisch auf verschiedene Weise gelöst werden. Beispiele für solche Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sind beispielsweise Genussrechte, stille Beteiligungen, virtuelle Beteiligungen etc.

Schließlich können Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen auch als „echte“ Gesellschafter:innen beteiligen. Die Mitarbeiter:innen werden dann beispielsweise GmbH-Gesellschafter:innen und haben nicht nur das Recht am Unternehmenserfolg zu partizipieren, sondern auch weitreichende Mitsprache- und Entscheidungsrechte.


Der vorstehende Überblick zeigt, dass es eine Vielzahl von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen gibt. Jedes der o. g. Mitarbeiterbeteiligungsmodelle hat bestimmte betriebswirtschaftliche, rechtliche und steuerliche Vor- und Nachteile und ist unterschiedlich komplex.

Was macht in der Praxis wirklich Sinn?
Eine allgemeine Empfehlung, welches konkrete Mitarbeiterbeteiligungsmodell für Startups Sinn macht, gibt es nicht. Es kommt auf den konkreten Einzelfall, insbesondere auch auf die Unternehmenskultur, die Größe und die Ziele des Unternehmens an.

Grundsätzlich lässt sich Folgendes sagen:

  • Je jünger und kleiner ein Unternehmen ist, desto einfacher, kostengünstiger und praktikabler umsetzbar sollte das Mitarbeiterbeteiligungsmodell sein.
  • Mitarbeiterbeteiligungsmodelle sollten rechts- und steuersicher umgesetzt werden, um von vornherein etwaigen Risiken, die sich gegebenenfalls erst viel später realisieren, aus dem Weg zu gehen. So sollte beispielsweise geklärt werden, ob – und ggf. zu welchem Zeitpunkt (bei Einräumung oder bei Auszahlung) – die Beteiligung des Mitarbeiters der Lohnsteuer unterliegt, da der Arbeitgeber hierfür im Zweifel gegenüber dem Finanzamt haftet.
  • „Echte“ gesellschaftsrechtliche Beteiligungen (z.B. GmbH-Anteile) sollten eher zurückhaltend und im Übrigen nur für wenige und wichtige Schlüsselmitarbeiter eingesetzt werden.
  • Spätere wirtschaftliche Folgen des Mitarbeiterbeteiligungsmodells sind bereits bei Planung und Umsetzung zu berücksichtigen. Schuldet beispielsweise die Gesellschaft die Vergütungen aus dem Mitarbeiterbeteiligungsmodell (wie z. B. bei Genussrechten), kann es im Exit-Fall passieren, dass der Käufer nicht bereit ist, die Vergütungen wirtschaftlich zu tragen und sie vom Kaufpreis abzieht.
  • Das Mitarbeiterbeteiligungsmodell sollte insbesondere so ausgestaltet sein, dass die beteiligten Mitarbeiter:innen für die Entwicklung des Unternehmens wesentliche Maßnahmen – wie z. B. die Aufnahme von weiteren Gesellschaftern bzw. Kapitalgebern, den Exit – nicht erschweren oder verhindern können.

 

Wie sehen konkrete Umsetzungsschritte aus?
Die Einführung eines Mitarbeiterbeteiligungsmodells setzt insbesondere folgende Schritte voraus:

  • Festlegung, welche Zwecke mit einem Mitarbeiterbeteiligungsmodell – in Bezug auf die definierten Unternehmensziele – verfolgt werden sollen.
  • Klärung, welche Mitarbeiter:innen von der Mitarbeiterbeteiligung profitieren.
  • Überblick über die potenziell in Frage kommenden Mitarbeiterbeteiligungsmodelle verschaffen und Klärung der jeweiligen gesellschafts-, arbeits- und steuerlichen sowie betriebswirtschaftlichen Vor- und Nachteile.
  • Abstimmung mit den Gesellschaftern bzw. etwaig vorhandenen Investoren und ggf. Einbindung der betroffenen Mitarbeiter:innen.
  • Finale Auswahl eines geeigneten Mitarbeiterbeteiligungsmodells. Hierbei ist auch darauf zu achten, welches Mitarbeiterbeteiligungsmodell konkrete Wettbewerber anbieten, um nicht bezüglich des „War of Talent“ einen Nachteil zu haben.
  • Rechtstechnische Umsetzung.

         

Wolfgang Löhr
Partner, Rechtsanwalt, vereidigter Buchprüfer und Steuerberater bei Sonntag & Partner berät Unternehmen auf dem Gebiet des Steuer- und Gesellschaftsrecht. Er ist zudem Lehrbeauftragter an der Universität Augsburg und Mitglied der Juristischen Gesellschaft. Als Mitglied der Regionalversammlung der IHK Augsburg setzt er sich zudem für die Steigerung der Attraktivität der Region ein. In diesem Zusammenhang ist es ihm ein Anliegen, auch Startups und junge Unternehmer:innen zu unterstützen.

 

Das Interview führte Stefan Schimpfle, Geschäftsführung des DZ.S, mit Wolfgang Löhr, Partner, Rechtsanwalt, vereidigter Buchprüfer und Steuerberater bei Sonntag & Partner.