Mittwoch, 17. Februar 2010 | News | Blog, Gründernews

Der neue Mikrokreditfonds Deutschland

Nur wenige tausend Euro: Mit diesem überschaubaren Startkapital kommen viele Gründerinnen und Gründern in Deutschland aus, wenn sie ihr eigenes Unternehmen starten.

Und auch so manches Kleinunternehmen benötigt nicht mehr Geld, um bei anstehenden Investitionen oder Liquiditätsengpässen über die Runden zu kommen. Wer dieses Geld (gerade bei Gründungen aus der Arbeitslosigkeit) nicht hat, muss für einen Kredit zur Bank. Wer der Bank aber keine ausreichenden Sicherheiten anzubieten hat, kann sich den Weg meist sparen. Die meisten Banken halten zudem die Vergabe von kleineren Kreditbeträgen nicht für lukrativ und engagieren sich daher überhaupt nicht in diesem Segment. Eine Finanzierungsalternative sorgt für Kleinkreditnehmer nun für Abhilfe: der Mikrokreditfonds Deutschland.

Mikrokreditangebote wurden seit über 150 Jahren von Kreditgenossenschaften sowie seit den 80er Jahren von Mikrofinanzinstituten in wirtschaftlich schwächeren Weltregionen entwickelt. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Instrument durch die Verleihung des Friedensnobelpreises an Muhammad Yunus bekannt wurden. Er ist Gründer der Grameen Bank, die ohne "klassische" Sicherheiten Mikrokredite an Menschen in Bangladesch vergibt und damit versucht, die Armut der Bevölkerung zu lindern.

Gründungen und Kleinunternehmen

Der Mikrokreditfonds Deutschland soll über Mikrokredite vor allem Gründungen und Kleinunternehmen unterstützen: zum Beispiel durch die Vorfinanzierung eines ersten großen Auftrags, bei der Anschaffung von Maschinen oder Geräten oder Investitionen für ein Warenlager (auch regelmäßig z.B. zum Jahresende für das Weihnachtsgeschäft).
Der Mikrokreditfonds Deutschland ist mit einem Volumen von 100 Millionen Euro ausgestattet. Knapp 60 Millionen Euro stammen aus dem Europäischen Sozialfonds; etwas mehr als 40 Millionen Euro kommen aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) plant, später einen mehrere Millionen Euro umfassenden Betrag aus dem ERP-Sondervermögen in den Fonds einzubringen. Das Fondsvermögen wird von der Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank) treuhänderisch für den Bund verwaltet.

Erste Anlaufstelle für Gründerinnen und Gründer: Mikrofinanzinstitute

Wer einen Kleinkredit aus dem Mikrokreditfonds Deutschland erhalten möchte, muss sich dafür an eines der derzeit zwölf Mikrofinanzinstitute wenden. Dabei handelt es sich um Partnerorganisationen des Fonds: zum Beispiel Gründungszentren oder Unternehmensberatungen mit einer Spezialisierung auf Gründungen aus der Arbeitslosigkeit. Alle Mikrofinanzinstitute werden zuvor vom Deutschen Mikrofinanz Institut (DMI) geprüft und akkreditiert. Jedes dieser Mikrofinanzinstitute hat sich auf bestimmte Zielgruppen wie beispielsweise Gründerinnen, junge Unternehmen usw. spezialisiert. Interessenten sollten daher zunächst prüfen, ob sich ein Mikrofinanzinstitut in ihrer Nähe befindet und welche Zielgruppe es anspricht. Eine Übersicht der Mikrofinanzinstitute findet sich unter www.mikrokreditfonds.de.

So funktioniert eine Mikrokreditvergabe:

- Kontaktaufnahme mit regionalem Mikrofinanzinstitut
Gründerinnen und Gründer, die sich für Mikrokredite aus dem Mikrokreditfonds interessieren, wenden sich an ein Mikrofinanzinstitut in ihrer Nähe. Dort wird ihnen ein persönlicher Berater zur Seite gestellt. Der Berater prüft den Stand der Gründungsvorbereitungen und wird bei Bedarf gemeinsam mit dem Gründer den Businessplan und ggf. weitere Unterlagen vervollständigen.

- Mikrofinanzinstitut prüft den Kredit
Stellt sich bei der Kapitalbedarfsplanung heraus, dass Fremdkapital notwendig ist, wird der Gründer gemeinsam mit seinem Berater einen Kreditantrag erstellen. Ein Kredit aus dem Mikrokreditfonds ist mit folgenden Konditionen verknüpft:

- Eigenkapital
Die Existenzgründung sollte so weit wie möglich über Eigenkapital finanziert werden. Es gibt aber auch Fälle, bei denen Mikrofinanzinstitute Vorhaben unterstützen, die über keinerlei Eigenkapital verfügen. Durch monatliche Ansparraten können sich Unternehmen einen Kreditanspruch erarbeiten. Von dem angesparten Guthaben kann zunächst das Dreifache, später das bis zu Zehnfache als Kredit aufgenommen werden.

- Stufenkredite für verschiedene Phasen
Darüber hinaus arbeitet der Mikrokreditfonds Deutschland mit so genannten Stufenkrediten. Gründerinnen und Gründer können beispielsweise zur Gründung einen ersten Kredit in Anspruch nehmen, um ihren Gründungsstart zu finanzieren. Nach der Gründung kann ein weiterer Kredit beantragt werden, um Aufträge vorzufinanzieren oder Liquiditätsengpässe zu überbrücken.
Der erste Kredit sollte nicht mehr als 10.000 Euro betragen. Die Kreditsumme sollte nur so hoch sein, dass sie auch zurückgezahlt werden kann, wenn die unternehmerischen Aktivitäten nicht erfolgreich sind. Ein Kleinstbetrag von beispielsweise 2.000 Euro kann in jedem Fall zurückgezahlt werden - und sei es in kleinsten Raten. Für die Kreditentscheidung ist darum eine verlässliche Einschätzung der Rückzahlungsmotivation ausreichend, ohne umfangreiche Dokumente. Im Erfolgsfall kann danach eine Kreditbiografie mit Beträgen bis zu 20.000 Euro aufgebaut werden. Eine Kredituntergrenze gibt es nicht.

- Zinsen und Tilgung
Der Zinssatz beträgt derzeit 7,5 Prozent pro Jahr. Die Zinsen sind marktüblich und damit leicht höher als einige andere klassische Förderangebote. Grund dafür: Das Modell des Mikrokreditfonds funktioniert langfristig nur, wenn es selbst insgesamt wirtschaftlich ist. Und im Endeffekt kommt es darauf an, dass der Unternehmer überhaupt einen Kredit erhält. Was nützen günstige Konditionen, wenn sie letztlich vielleicht sogar eine Kreditvergabe verhindern, weil das Risiko im konkreten Fall mit diesen Konditionen nicht wirtschaftlich abgedeckt werden kann?

- Laufzeit
Die Laufzeiten betragen für Auftragsfinanzierungen meist nur wenige Monate, für investive Finanzierungen maximal drei Jahre.

- Kombination mit anderen Förderinstrumenten
Die Mittel aus dem Mikrokreditfonds können mit anderen Förderinstrumenten kombiniert werden. Gründerinnen und Gründer können sowohl einen Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit oder das KfW-StartGeld als auch einen Kredit aus dem Mikrokreditfonds erhalten. Es gehört zu den Aufgaben der Mikrofinanzinstitute, Gründerinnen und Gründer über ergänzende Förderprogramme zu beraten und ggf. Kontakte zu Kreditinstituten vor Ort herzustellen.

- Bearbeitungszeit
Für die eigentliche Kreditentscheidung benötigen die Mikrofinanzinstitute in der Regel bis zu einer Woche; bei einer Auftragsfinanzierung an einen bekannten Kunden weniger als eine Stunde. Wurde der Antrag bewilligt, dauert es bis zu eine Woche bis alle Verträge unterschrieben und die Summe ausgezahlt ist.


Besonderheiten des Mikrokreditfonds Deutschland

Der Mikrokreditfonds Deutschland unterscheidet sich von anderen Förderprogrammen für Existenzgründungen vor allem durch die enge Verzahnung von Beratung und Finanzierung.

- Persönliche Einschätzung
Nicht selten kommt der Kreditberater des Mikrofinanzinstituts beim Interessenten vorbei, sichtet mit ihm dessen Kontoauszüge und bespricht mit ihm das Projekt, für das Geld nötig ist. Vorzugsweise sollte dies mit Angehörigen und Freunden gemeinsam geschehen: Denn deren Referenzen spielen für die Kreditvergabe eine wichtige Rolle.

- Bürgschaften als Sicherheit
Die Mikrofinanzinstitute akzeptieren auch kleine Einzelbürgschaften von Personen aus dem Verwandtschafts- und Bekanntschaftskreis oder von Geschäftspartnern. Wichtig ist, dass ein oder mehrere Bürgen dokumentieren: "Ich glaube an diese Gründung, und wenn es schwierig werden sollte, setze ich mich mit an den Tisch, um entweder zu einer Lösung beizutragen oder um die Aktivitäten in einer guten Weise zu beenden." Um diese Bürgen müssen sich die Gründerinnen und Gründer selbst kümmern.

- Gründer verpflichtet sich zur Teilnahme am Monitoring
Auch nach der Kreditvergabe bleibt der Berater in enger Verbindung mit dem Gründer/Unternehmer. Mit der Bewilligung des Kredits verpflichtet sich der Gründer/Unternehmer für die gesamte Kreditlaufzeit an einem Monitoring teilzunehmen. Dabei muss er monatlich Basiszahlen zu Umsatz, Forderungen, Verbindlichkeiten und Kunden an seinen Berater übermitteln. Dieser kann sich darüber jederzeit ein Bild über den aktuellen Zustand des Unternehmens machen. Die regelmäßige Übermittlung der Daten ist übrigens ein "harter Punkt": Kommen Kreditnehmer dieser Verpflichtung nicht nach, kann dies zur Kündigung des Kredits führen.

- Krisenberatung durch Berater
Zeichnen sich anhand des Monitorings erste Warnsignale ab, wird der Berater eingreifen, und zwar sofort und persönlich. Auf diese Weise lässt sich das Ruder noch rechtzeitig "herumreißen". Abgesehen davon kann sich der Jung-Unternehmer auch selbst jederzeit an seinen Berater wenden, um unternehmerische Frage zu klären.

- Beratung und Monitoring unabhängig von Kreditaufnahme
Die Begleitung durch einen Berater ist nicht unbedingt an eine Kreditaufnahme gebunden. Im Gegenteil: Im Idealfall bereitet der Gründer gemeinsam mit einem Mikrofinanzierer sein Vorhaben vor, nimmt nach dem Unternehmensstart am Monitoring teil und erhält dann bei Bedarf, beispielsweise zur Vorfinanzierung von Aufträgen, schnell und unbürokratisch einen Kredit aus dem Mikrokreditfonds.

- Kosten für Beratung
Je nach Mikrofinanzinstitut kann die Beratungsleistung kostenpflichtig sein. Allerdings stehen sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene vielfältige Förderprogramme zur Verfügung stehen, die die Kosten für eine solche Beratung erstatten. Auch darüber informieren die Gründungsberater der Mikrofinanzinstitute.

Pilotphase

Der Mikrokreditfonds befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt noch in einer Pilotphase und wird daher noch nicht bundesweit angeboten. Ziel ist es, in den nächsten zwei bis drei Jahren ein bundesweites Netz an Mikrofinanzinstituten anzubieten, die als Anlaufstelle für Gründer und junge Unternehmen dienen.

Erste Erfahrungen

Interessant ist: Über die Hälfte der Kredite werden zurzeit an Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund vergeben. Besonders wichtig sind die Mikrokredite aus dem Mikrokreditfonds auch für Frauen: Rund 40 Prozent gehen an sie. Und: Immer häufiger klopfen Akademiker an, die ihren Job verloren haben und sich selbständig machen wollen. Im Durchschnitt werden durch jeden Mikrokredit 1,5 Arbeitsplätze geschaffen.

Beim Anteil der Kredite, die nicht mehr zurückgezahlt werden konnten (Ausfallquote), rechnen die Fondstrategen mit einer Ausfallquote von maximal zehn Prozent. Sie war auch schon bei den Vorläuferprojekten gering: im Jahr 2009 nur 2,8 Prozent. Im Vergleich dazu: Die (nicht veröffentlichte) Zahl der Ausfälle bei öffentlichen Förderprogrammen beträgt in der Regel ein Vielfaches davon, ist aus der GLS-Bank zu erfahren.

2010: mindestens 900 Mikrokredite

Von 2006 bis 2009 wurden von den Pionieren der Mikrokreditgeber rund 500 Mikrokredite vergeben. Übrigens: Bei der Kreditvergabe besonders berücksichtigt werden Unternehmen mit hoher Ausbildungsbereitschaft. Mit dem Start des Mikrokreditfonds Deutschland Anfang 2010 soll das Angebot deutlich ausgebaut werden. Für 2010 ist die Vergabe von mindestens 900 Mikrokrediten und für die Folgejahre ein entsprechendes Wachstum geplant. Dabei orientieren sich die Fondsplaner an den Erfolgen in Frankreich: Hier wurden bei vergleichbaren Bedingungen in 2009 cirka 20.000 Mikrokredite vergeben.


WEITERE INFORMATIONEN 
GLS Gemeinschaftsbank eG
» Mikrokredtifonds Deutschland (www)
http://www.mikrokreditfonds.de/
» Liste der Mikrofinanzinstitute (www)
http://mikrokreditfonds.gls.de/startseite/kredit-erhalten/mikrofinanzinstitute.html

BMWi-Existesnzgründungsportal
» Kleinstkredite (www)
http://www.existenzgruender.de/selbstaendigkeit/finanzierung/foerderprogramme/00680/index.php

BMWi-Unternehmensportal
» Förderprogramme zur Liquiditätssicherung (www)
http://www.bmwi-unternehmensportal.de/finanzierung_foerderung/foerderung/programme/00783/index.php

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMA)
» Studie: Mikrofinanzierung und Mezzanine-Kapital für Gründungen und KMU (www)
http://www.bmas.de/portal/41774/2010__01__27__studie__mikrokredit.html