Freitag, 22. Juli 2016 | News | Blog, Gründernews, Expertennews

„Crowdfunding – eine Form des Dialogs“

Seit Jahren nehmen die Aktivitäten für crowd-finanzierte Projekte auch in Deutschland zu. Laut Crowdfunding-Monitor von Für-Gründer.de erhielten Gründer, Unternehmen und Projekte in den ersten sechs Monaten 2016 67,6 Mio. Euro über diese Finanzierungsmöglichkeit. Ein Jahr zuvor waren es noch 50,7 Mio. Euro. Auf deutschen Plattformen wurden per Crowdfunding im ersten Halbjahr 2016 5,1 Mio. Euro, Im Vorjahreszeitrum waren es 4,8 Mio. Euro.

Dirk von Gehlen (Foto: privat)

Dirk von Gehlen (Foto: privat)

Autor und Journalist Dirk von Gehlen, zählt zu den Crowdfunding-Pionieren in Deutschland und arbeitet als Professional bei der Crowdfunding Plattform „startnext“. Er hat uns einige Fragen zum Thema Crowdfunding beantwortet:

Herr von Gehlen, Sie haben bereits sehr früh begonnen, sich mit dem Thema Crowdfunding zu beschäftigen und selbst auch mehre Crowdfunding-Projekte durchgeführt - unter anderem ein eigenes Buchprojekt und das Projekt SZ-Langstrecke. Welcher Aspekt beim Crowdfunding wiegt für Sie schwerer – die Finanzierung oder der Marketingeffekt, den man darüber erzielen kann?
Zunächst steht für mich der Aspekt der Verbindung im Vordergrund. Für mich ist Crowdfunding der nächste Schritt auf dem Weg, den wir mit Social Media begonnen haben. Die Richtung ist klar erkennbar: Es geht um die Beziehung zwischen denen, die Inhalte erstellen und jenen, die diese konsumieren oder daran teilhaben. Durch Crowdfunding erhält diese Beziehung einen direkten finanziellen Aspekt, der genauso spannend und bedeutsam ist wie die Tatsache, dass Crowdfunding-Projekte auf neue Art Aufmerksamkeit bekommen.

Was war die bisher wichtigste Erfahrung aus dem Crowdfunding beider Projekte?
Die Projekte hatten sehr unterschiedliche Ziele: Bei „Eine neue Version ist verfügbar“ ging es in der Tat zunächst um das Ziel der gemeinsamen Finanzierung eines Buchs. Außerdem war für mich bei dem Buch die Idee wichtig, nicht einzig ein fertiges Produkt anzubieten, sondern dazu auch den Zugang zu einem unkopierbaren Prozess. Beim Markttest zu „Süddeutsche Zeitung Langstrecke“ war der finanzielle Aspekt nicht so bedeutsam, hier ging es uns mehr um eine Form der Marktforschung. Wir haben mit Hilfe von Startnext einen direkten Dialog mit den potenziellen Leser*innen des Longreads-Magazin gesucht – und gefunden. Wenn man beide Projekte gemeinsam bilanziert, zeigt sich vor allem: Crowdfunding öffnet die Möglichkeiten zu einem breiten Spektrum an Ideen und Ansätzen. Das ist meine wichtigste Erfahrung aus den Projekten: Wir stehen erst am Anfang.

Wie sollte man bei der Auswahl der Plattform Ihrer Meinung nach vorgehen und worauf sollte man  besonders beachten?
Crowdfunding ist meiner Einschätzung nach eine Form des Dialogs. Bevor man technische Fragen angeht, sollte man also zunächst herausfinden: Wo sind die Menschen, mit denen man den Dialog sucht? Was treibt sie um? Wofür interessieren sie sich? Welche Sprache sprechen sie? Und: Was fehlt ihnen? Die Frage, welche Plattform man wählt, beantwortet sich dann quasi von allein.
Wie verträgt sich Crowdfunding aus Ihrer Sicht mit anderen Finanzierungsmöglichkeiten?
Ich glaube, Crowdfunding kann eine gute Ergänzung zu anderen Finanzierungsmethoden sein. Ein kompletter Ersatz wird Crowdfunding vermutlich nur in Ausnahmen sein.

Ihr Tipp für die Kommunikation während eines Crowdfunding-Projektes und für die Zeit danach:
Die Käufer und Kunden ernst zu nehmen, ist erste Voraussetzung vor jedem Crowdfunding – und natürlich auch während und nach einem konkreten Projekt.

Vielen Dank für die aufschlussreichen Informationen.

 

Dirk von Gehlen ist Autor und Journalist. Bei der Süddeutschen Zeitung leitet er die Abteilung Social Media/Innovation, in der er das Longreads-Magazin Süddeutsche Zeitung Langstrecke (sz.de/langstrecke) entwickelt hat. Der Diplom-Journalist begleitet den Medienwandel seit Jahren auf seinem Blog digitale-notizen.de und unter @dvg auf Twitter. Unter phaenomeme.de schreibt er für die Süddeutsche Zeitung über Internet-Meme. 2011 veröffentlichte er bei Suhrkamp das Buch „Mashup – Lob der Kopie“. Er zählt zu den Crowdfunding-Pionieren in Deutschland („Eine neue Version ist verfügbar“) und veröffentlichte zu diesem Thema den Ratgeber "22,5 Schritte zu erfolgreichem Crowdfunding". Zudem arbeitet er bei startnext als Professional.